Donnerstag, 26. April 2012

Katja Behrens: Der Raub des Bücherschatzes (Hanser 2012)

Der Titel und die Kurzbeschreibung des Buches sind vielversprechend. Wir schreiben das Jahr 1622, Zeit des 30jährigen Krieges, Zeit der religiösen Kämpfe. Ort der Handlung ist zunächst Heidelberg, es geht dann aber um die Reise der berühmten  Heidelberger Bibliothek, die Palatina, nach Rom. Diese „Reise“ findet gegen den Willen der Heidelberger statt und kommt einem Raub gleich.
Haupthelden des Romans sind zwei junge Mädchen und ein paar ältere weise und ein paar junge Männer – allesamt Protestanten in einem katholischen Umfeld. Die Zeiten sind schwierig, Essen ist knapp, das winterliche Wetter ist unerquicklich, überall lauern Krankheiten und Räuber, alle machen die Reise mit den gut ausgerüsteten Katholiken, weil ihnen nichts anderes zum Leben übrig bleibt und weil sie Bücher lieben und „ihre“ Bibliothek nicht im Stich lassen wollen. Eine Notgemeinschaft, die ständiger Gefahr ausgesetzt ist, entdeckt zu werden.

Ein ungewöhnliches Thema und eine aus unserer Sicht heute ungewöhnliche Handlung. Das könnte sehr spannend sein. Der Leser erfährt auch viel über Geschichte und Zeitumstände. Tilly spielt eine Rolle, Hexenverbrennungen, Machtkämpfe zwischen  Kirche und Bürgertum. Die Spannung besteht darin, dass man mit den Hauptheldinnen mitleidet und hofft, dass sie in ihrer Verkleidung als Jungs es schaffen unentdeckt zu bleiben und zu überleben und nicht wegen irgendeinem Vorwand hingerichtet zu werden.

Es ist nur so, dass die ganze Geschichte sich  in einer seltsamen Unklarheit befindet. Sicher, die Zeiten waren grausam, aber die nicht ausgesprochenen hintergründigen Formulierungen machen es zumindest jugendlichen Lesern von Anfang an schwer zu verstehen, was faktisch denn eigentlich abgelaufen ist (nämlich alle denkbaren Kriegsgreuel). Im Laufe der Zeit kann man sich Verschiedenes denken, aber eigentlich muss man die (Kirchen-) Geschichte des 17. Jhds kennen (oder das Nachwort zuerst lesen)  um zu verstehen, was abläuft. Merkwürdig mutet auch an, dass plötzlich ab Mitte des Buches Vampire eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Bis zum Schluss wird dieses Thema aber nicht aufgelöst, sondern einfach fallengelassen. Die einzelnen Episoden setzen Angst frei, es gibt keine angenehmen Erlebnisse der Hauptpersonen – alles ist schlimm, schmerzhaft, dunkel, lebensgefährlich. Mitleid und positive Gefühle kommen fast nicht vor bis auf die Zuneigung eines älteren Mannes zu den Jugendlichen und eine vage aufkeimende Zuneigung zwischen zweien von ihnen, die aber durch die Verkleidungsnotwenigkeit ständig vereitelt wird. So wirkt dann der Schluss des Buches wie ein Märchen – unglaubwürdig. Hilfreich wäre sicher auch eine Liste mit Worterklärungen am Ende des Buches. (UP13)