Mittwoch, 13. August 2014

Kathryn Erskine: Schwarzweiß hat viele Farben (Knesebeck 2014)

Zuerst dachte ich, dass dieses Buch wirklich sehr speziell ist. Amerika, sehr viele Anspielungen beziehen sich auf das Buch „Wer die Nachtigall stört“ und die Verfilmung mit demselben Titel, beides 1962 erschienen und heute kaum mehr bei uns bekannt. Die Hauptheldin ist Asperger Autistin. Mutter und Bruder sind gestorben, der Vater schwer depressiv. Freunde hat sie nicht, stattdessen wird sie hauptsächlich geschnitten und ausgegrenzt. Als ich dann noch erfuhr, dass der Bruder, nach dem sie sich so sehr sehnt, einem Amoklauf zum Opfer gefallen ist, dachte ich, dass diese Kombination ein bisschen too much ist für den naiven Leser.
Nachdem ich nun aber das Buch zuende gelesen habe, geht es mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe ein wenig über die Autorin recherchiert und denke, dass es gut ist, über beide Phänomene zu schreiben. Gerade die Kombination macht nämlich erst das Unwirkliche und Unfassbare der Situation deutlich: Ein Mensch dreht durch und tötet Kinder. Das allein ist schon Furchterregend und verstörend. Ich erinnere mich an den Amoklauf 2002 in Erfurt hier ganz bei uns in der Nähe. Das ist das eine Problemfeld. Menschen mit dem Asperger Syndrom haben eine besondere Sichtweise und stellen sehr oftmals viel naheliegendere Fragen, als wir allgemein denken, und damit helfen sie uns auch. Und so ist es Scout, die am Ende die Situation zu einer positiven Wende bringen kann. Damit hilft sie sich, dem Vater, sie gewinnt Freunde und Selbstvertrauen. Das ist das andere Problemfeld. Es bleibt für mich fraglich, ob man nun beides miteinander kombinieren muss, aber jedenfalls wird ein Amoklauf durch die Brille eines Aspergerkindes gesehen nochmal viel deutlicher und ungeheurlicher.
Das Buch ist mir sehr nahegegangen und ich kann es jedem Empfehlen zu lesen und über neue Zugänge zum Leben nachzudenken. Besondere Aufmerksamkeit sollte man dabei auch auf die Rolle der Schulpsychologin Mrs. Brooks werfen, die einiges an möglichen Verhaltensweisen beispielhaft vorlebt.

Stichwörter: Amok, Asperger Syndrom, Psychologie, Tod, Trauer, Trauerbewältigung